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Logistik ohne Risiken und Nebenwirkungen.

Die europäische Pharmarichtlinie EU/2011/62 erschwert künftig Medikamentenfälschungen, stellt Pharmaproduzenten und Logistikdienstleister aber auch vor große Herausforderungen. Während die Hersteller ihre Fertigungsverfahren seit dem 9. Februar 2019  – an diesem Tag trat die Richtlinie in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union in Kraft – an die neuen Vorschriften anpassen mussten, sind die Lieferanten der Pharmabranche dazu aufgefordert, die Abläufe im Lager entsprechend umzustellen. Dazu zählt auch der Einsatz eines Lagerverwaltungssystems, das nicht nur die bisherigen branchenspezifischen Anforderungen, sondern darüber hinaus die in der Fälschungsrichtlinie enthaltenen Vorgaben erfüllt.

Was ist nach der neuen EU-Pharmarichtlinie EU/2011/62 zu beachten?

Das Geschäft mit gefälschten Medikamenten floriert: Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht davon aus, dass jedes zweite im Internet verkaufte Arzneimittel kein Original ist. So wurden 2017 bei einer weltweit durchgeführten Aktion rund 25 Millionen illegale Tabletten, Kapseln und Ampullen aus dem Verkehr gezogen. Gefälschte Präparate tauchen aber auch durchaus „offline“ in der regulären Lieferkette auf. So berichtete der Kriminalexperte Karlhans Liebl in einem Beitrag des SWR vom Februar 2018 von einer von ihm durchgeführten Umfrage unter Apothekern. Das Ergebnis: Jeder sechste Apotheker gab an, schon einmal mit billigen Nachahmungen konfrontiert worden zu sein. Für die Fälscherbanden sind die Machenschaften ein lukratives Geschäft – die Konsumenten der gepanschten Medikamente gehen jedoch unwissend ein hohes Risiko ein. Denn welche Stoffe tatsächlich in den Tabletten, Kapseln und Ampullen stecken, ist unklar. Von fehlenden bis hin zu falschen Wirkstoffen, Keimen, Schadstoffen, Lösungsmitteln, Backpulver, Kreide und Sägemehl ist alles denkbar. Im schlimmsten Fall kann die Einnahme eines solchen Falsifikats für den Verbraucher sogar tödlich enden.

 

Aus diesem Grund hat die EU der Arzneimittelkriminalität mit der Fälschungsschutzrichtlinie 2011/62/EU und der delegierten Verordnung (EU) Nr. 2016/161, welche die technischen und organisatorischen Details der Umsetzung klärt, den Kampf angesagt. Ziel ist es, das Eindringen gefälschter Humanarzneimittel in die legale Lieferkette zu verhindern und damit einhergehend den Schutz des Patienten sicherzustellen. Seit dem 9. Februar 2019 dürfen Humanarzneimittel aufgrund der Verordnung 2001/83/EG und zuletzt der delegierten Verordnung (EU) 2016/161 nur noch in den Verkehr gebracht werden, wenn Sie mit spezifischen Sicherheitsmerkmalen versehen sind.

 

Schritt 1: Generierung eines individuellen Erkennungsmerkmals

Der neue Schutzmechanismus besteht aus dem individuellen Erkennungsmerkmal sowie der Vorrichtung gegen Manipulation. Während es bei letztgenannter Vorgabe um geeignete Verschlussmöglichkeiten zum Beweis der Unversehrtheit der Medikamentenpackung geht – etwa ein Siegeletikett am Faltschachtelende –, liegt dem individuellen Erkennungsmerkmal ein Serialisierungsprozess zugrunde. Dabei wird eine unverwechselbare Seriennummer mit einer maximal zwanzigstelligen Folge numerischer oder alphanumerischer Zeichen generiert, die den Produktcode des Medikaments, die Chargenbezeichnung sowie das Verfallsdatum enthält. Für die Erzeugung des individuellen Erkennungsmerkmals sind die Pharmahersteller zuständig. Diese Vorgehensweise stellt sicher, dass jede pharmazeutische Verkaufseinheit zweifelsfrei identifiziert und zugeordnet werden kann. Datenträger für das individuelle Erkennungsmerkmal ist ein Data Matrix Code. Seit dem 9. Februar 2019 muss jeder Hersteller verifizierungspflichtiger Arzneimittel diesen zweidimensionalen Code auf den betroffenen Verpackungseinheiten aufbringen.

 

Schritt 2: Abgleich mit der zentralen Datenbank

Das individuelle Erkennungsmerkmal und die Manipulationsvorrichtung sind aber nur ein Teil der großangelegten Medikamenten-Sicherheitsinitiative in der EU. Um die Echtheit von Arzneimitteln gewährleisten zu können, muss das individuelle Erkennungsmerkmal bei der Abgabe der Verpackung an den Patienten gegengeprüft werden. Zu diesem Zweck wird eine zentrale Datenbank eingerichtet, in der die Pharmahersteller die individuellen Erkennungsmerkmale hinterlegen müssen. Bei der Abgabe einer Medikamentenpackung durch eine Apotheke oder in einer Klinik muss der aufgebrachte Code mit den im System hinterlegten Daten in Echtzeit abgeglichen werden. Stimmen beide Angaben überein, kann das individuelle Erkennungsmerkmal ausgebucht werden. Hier spricht die EU von einem End-to-End-Überprüfungssystem. In Deutschland wird das System durch die Stakeholderorganisation Securpharm aufgebaut.

 

Neue Richtlinie hat auch für Logistikdienstleister Folgen

Von dem Prozedere betroffen sind Logistikdienstleister, die denselben Status wie eine Apotheke oder Klinik haben: Ausschlaggebend ist, ob sie das letzte Glied der Supply Chain sind, bevor das Präparat an den Patienten abgegeben wird. Logistikdienstleister, die direkt an eine Klinik liefern, sind daher rechtlich in der Pflicht: Sie müssen den Code-Abgleich vornehmen. Darüber hinaus gibt es Lieferanten, die zwar rechtlich nicht verpflichtet sind, deren Auftragsgeber den Scan- und Prüfvorgang aber als Serviceleistung einfordern. In diesem Fall müssen Logistikdienstleister innerhalb eines bestimmten logistischen Prozesses, beispielsweise dem Wareneingang, der Kommissionierung oder der Verpackung, das individuelle Erkennungsmerkmal scannen und per Webservice den beschriebenen Datenabgleich vornehmen. Sollte sich ein Code als ungültig erweisen, muss die betroffene Packung in Quarantäne – auch, wenn nur vergessen wurde, den Code in die Datenbank einzustellen. Dagegen sind Unternehmen, die Ware an eine Apotheke zustellen, von der EU-Verordnung nicht direkt betroffen. Der Grund: Bei dieser Konstellation gilt die Apotheke als letzte Station innerhalb der Supply Chain. Ausnahmen sind laut Securpharm Retouren, der Vertrieb in Nicht-EU-Staaten, Probenanforderung der Behörden und die Vernichtung von betroffenen Arzneimitteln.

 

Aggregierte Scannung hält Leistungsfähigkeit stabil

In der Praxis bedeutet die EU-Fälschungsrichtlinie, dass im Bereich der Pharmalogistik der Scanner wieder Einzug ins Lager hält. Betroffene Logistikdienstleister müssen jedoch nur geringfügige Hardwareanpassungen vornehmen. Handelsübliche Scangeräte, die dem modernen Standard entsprechen, können für gewöhnlich einen Data Matrix Code einlesen. Damit die logistischen Prozesse trotz des Mehraufwands performant bleiben, ist eine aggregierte Scannung erlaubt. Bei dieser Methode wird eine Masterseriennummer erzeugt, in der die jeweiligen Codes der einzelnen Packungen enthalten sind. Dadurch müssen die Logistikdienstleister nicht jede Medikamentenschachtel separat einscannen, sondern sie können einen gesamten Karton mit mehreren Einzelpackungen als Inhalt erfassen. Lagerverwaltungssysteme müssen also seit dem 9. Februar 2019 zu einem solchen aggregierten Scanvorgang in der Lage sein.

 

Anpassung des Funktionsumfangs von Lagerverwaltungssystemen nötig

Die Ehrhardt + Partner-Gruppe hat beispielsweise auf die neuen Anforderungen reagiert und kann ihr Warehouse Management System (LFS), das bei namhaften Unternehmen aus dem Pharmabereich im Einsatz ist, entsprechend anpassen. Zusätzlich zu den bereits vorhandenen Branchenfunktionen wie Seriennummerhandling, die Überwachung von Mindesthaltbarkeitsdaten, Chargenrückverfolgung, Multi-Order-Picking und die Anbindung von Apotheker-Automaten ist LFS in der Lage, die Kommunikation mit der zentralen Datenbank zu steuern. Dies ist wichtig, um das individuelle Erkennungsmerkmal zu melden und mit dem hinterlegten Code abzugleichen. Bei einer Fehlermeldung wäre es der Lagerverwaltungssoftware möglich, einen kundenseitig definierten Prozess anzustoßen, etwa die Ausschleusung der fraglichen Medikamentenpackung aus dem Warenfluss. Darüber hinaus sind die von LFS geführten Prozesse nach den strengen GAMP-5-Kriterien zertifiziert. Dies stellt sicher, dass es beim Einsatz der Software zu keiner Beeinträchtigung der Produktqualität, der Prozesskontrolle oder der Qualitätssicherung kommt. Durch die Verwendung eines geeigneten Lagerverwaltungssystems tragen die Logistikdienstleister folglich aktiv zum Schutz der Verbraucher bei.

Die wichtigsten Punkte der neuen EU-Pharmarichtlinie EU/2011/62:

  • Ziel ist es, das Eindringen gefälschter Humanarzneimittel in die legale Lieferkette zu verhindern und den Patienten zu schützen.
  • Seit dem 9. Februar 2019 müssen bestimmte Medikamente deshalb mit spezifischen Sicherheitsmerkmalen versehen sein.
  • Das individuelle Erkennungsmerkmal besteht aus einer Seriennummer, die in Form eines Data Matrix Code auf der Verpackung aufgebracht wird.
  • Die Pharmahersteller müssen das individuelle Erkennungsmerkmal zudem in einer zentralen Datenbank hinterlegen, sodass ein Abgleich des Verpackungscodes möglich ist

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